Klimaneutralität 2035: Historischer Ratsbeschluss, zweifelhafter Fahrplan

Der Gemeinderat verpflichtet sich zur Klimaneutralität 2035: Das ist ein symbolischer, aber auch historischer Beschluss. Wir haben nun ein gemeinsames Ziel – jedoch einen kritischen Fahrplan. So ist es etwa ein unverzeihlicher Fehler, dass die landeseigene EnBW nun Lieferverträge für US-Frackinggas bis 2046 abgeschlossen hat und ihre Kraftwerke entlang des Neckars auf Erdgas umrüstet. Fossile Energie ist eine politische Waffe und der Klimakiller Erdgas keine Übergangstechnologie. Die Gasheizung ist längst zum Armutsrisiko Nr. 1 für die Schwächsten der Gesellschaft geworden. Streiten werden wir auf dem Weg zur Klimaneutralität nicht nur über die Strom- und Wärmeerzeugung: etwa über die Frage, wie viel Stahlbeton, wie viel Versiegelung fruchtbarster Böden, wie viele Wunschprojekte des Straßenbaus wir als Klima-Hypothek noch vererben dürfen. Dass auf die Bauwirtschaft fast 40 % der globalen Emissionen entfallen, verschweigt McKinsey. Ohne die Bauwende, das zirkuläre Bauen, die Kreislaufökonomie und den Kulturwandel hin zu klimagerechtem Planen wird Klimaschutz scheitern. Gut ist, dass künftig bei allen klimarelevanten Ratsentscheidungen die Emissionen bemessen und im Rahmen eines CO2-Restbudgets einem Monitoring unterzogen werden. Diesen CO2-Footprint der Infrastrukturen sichtbar zu machen, ist für PULS ein entscheidendes Anliegen. Ebenso muss die soziale Verträglichkeit im Sinne der Klimagerechtigkeit Berücksichtigung finden. Insbesondere mit der Wohnungswirtschaft sind Vereinbarungen zu treffen, um die energetischen Gebäudesanierung warmmietenneutral umzusetzen. Und: Statt massive VVS-Tarif-Erhöhung zu beschließen sollte die Ratsmehrheit die Mobilitätswende anpacken und Flächengerechtigkeit für Fuß- und Radverkehr herstellen. Stuttgart muss sich verändern: Wir brauchen Solaranlagen und Gärten auf Dächern, Windenergieanlagen und Wärmepumpen. Das Ziel muss die grün-blaue Schwammstadt sein: ein schützendes Blätterdach über den Plätzen, offene Bachläufe, eine grüne Gebäudehaut und entsiegelte Flächen: Das schafft Resilienz. Auch benötigt Stuttgart endlich einen Hitzeaktionsplan, um vulnerable Gruppen zu schützen. Klimaneutralität 2035 ist ein klimapolitischer Imperativ. Aber der Weg zur klimagerechten Stadt wird in der kommenden Dekade viel Mut zur Stadttransformation erfordern.

Hier geht es zur vollständigen Rede von PULS-Stadrat Christoph Ozasek