Wohnraum schaffen – ohne aktuelle Herausforderungen zu vernachlässigen

In einem Punkt sind sich vermutlich alle in Stuttgart einig: Der fehlende Wohnraum in unserer Stadt ist ein drängendes Problem. Bei der Einigkeit darüber, wie wir dieses Problem angehen sollen, wird die Sache dagegen schnell komplizierter. Letzte Woche wurde im Gemeinderat mehrheitlich die Absichtserklärung beschlossen, als Stadt zusammen mit der Wohnungswirtschaft ein Bündnis für Wohnen 2.0 zu schaffen. Wir bei PULS haben hierbei unterschiedlich abgestimmt – und zwar jeweils aus guten Gründen. Klar ist, dass auch wir uns mehr guten und bezahlbaren Wohnraum in Stuttgart wünschen. Dazu braucht es Kooperation und Zusammenarbeit. Es braucht aber im gleichen Maße auch Vertrauen.

Die von der Verwaltung vorgelegte Beschlussfassung hat unser Vertrauen darin, dass der demokratische Mehrheitswille des Gemeinderats ernstgenommen wird, leider nicht bestärkt: Das Bündnis für Wohnen 2.0 ist in dieser Form eine Blackbox, der es an vielen Punkten an konkreter Unterfütterung fehlt. Es fehlen Beschlüsse, die in der Sache wichtig sind – zum Beispiel die SIM-Fortschreibung oder -Anpassungen bei den Kita-Kosten, die Beschlussvorlage für das neue städtische Förderprogramm für Sozialmietwohnungen, Anpassungen bei der Infrastrukturpauschale oder das Scoring-System, das für die Vergabe von Grundstücken entscheidend werden soll.

Ganz besonders aber fehlt die konkrete Ausarbeitung von Punkten, die uns als PULS beim Thema Wohnen besonders am Herzen liegen und ebenso von einer Mehrheit des Gemeinderats mitgetragen werden. Zum Beispiel die Konzeptvergabe, die aus gutem Grund prominent im Grundsatzbeschluss zur Neuausrichtung der Bodenpolitik verankert wurde. Maßgeblich bei der Vergabe kommunaler Grundstücke soll dabei nicht der Höchstpreis sein, sondern die Qualität des Vorhabens: Bauen darf, wer unter ökologischen, sozialen und architektonischen Gesichtspunkten die innovativste Architektur präsentiert – ein wichtiger Schritt auch auf dem Weg zur Klimaneutralität Stuttgarts. Anstatt jedoch den Grundkern einer Zusammenarbeit zwischen Stadt und Wohnungswirtschaft zu bilden, wird das Thema Konzeptvergabe in dieser Absichtserklärung nur am Rande mit dem noch auszuarbeitenden Scoring-System verknüpft. Das wird weder ihrer Bedeutung gerecht noch dem mehrheitlich formulierten Willen des Gemeinderats.

Mit dem hält es die Verwaltung aber leider ohnehin gerne mal lax: Seit fast zwei Jahren bleibt unser Antrag, in Stuttgart gemeinschaftsbildende innovative Wohnungstypologien zu fördern und damit bezahlbaren Wohnraum für viele zu schaffen, von der Verwaltung einfach unbeantwortet. Fun fact: Eine Mehrheit des Gemeinderats hat diesen Antrag mitgezeichnet. Auch in der Absichtserklärung zum Bündnis für Wohnen 2.0 heißt es aber nun bloß lapidar: "Wird separat beantwortet."

Zu einer guten Partnerschaft gehört Vertrauen. Wir wünschen uns eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Fachverwaltung – vor allem mit Blick auf die anstehenden Einzelfallentscheidungen für Projekte, die durch das Bündnis für Wohnen 2.0 angestoßen werden. Wir erwarten aber auch, dass demokratische Mehrheitsentscheidungen von ihr ernstgenommen und umgesetzt werden.