Bedingt repräsentativ

Unsere repräsentative Demokratie lebt davon, dass wir jene wählen, die uns und unsere Interessen in der Politik vertreten. Idealerweise bilden Parlamente den Großteil der Gesellschaft in ihrer Zusammensetzung ab. Idealerweise. Man muss nicht Statistik studiert haben um zu erkennen, dass der Frauenanteil in der Politik ebenso mau ist, wie in den Chefetagen der Wirtschaft. Heute, am Weltfrauentag, wird dies - wie hier - an allen Ecken und Enden thematisiert. Man möchte Bewusstsein schaffen. Das ist schön und gut. Doch Bewusstsein alleine ändert erst mal gar nichts.

2017 waren 30,7% der Bundestagsabgeordneten Frauen. Das ist weniger als zur Wahl von 1998 [1]. Laut dem “Genderranking deutscher Großstädte 2017” der Heinrich Böll Stiftung, ist zwischen 2008 und 2017 der Anteil an Oberbürgermeisterinnen von 17,7% auf 8,2% gesunken [2]. Schön, dass immerhin der Frauenanteil in den Gemeinderäten Baden-Württembergs gestiegen ist - um 2,9 Prozentpunkte auf 26,8% bei der letzten Kommunalwahl 2019 [3].

Wir als Fraktionsgemeinschaft sind mit unserem Frauenanteil von 75% leider immer noch Exoten. Und werden es auch noch lange sein, wenn immer nur Bewusstsein geschaffen wird, aber keine konkrete Veränderung. Beim “1. Deutschen Frauenkongress kommunal” [4] des Deutschen Städte- und Gemeindebunds vor zwei Jahren, fahndeten rund 150 Kommunalpolitikerinnen nach Ursachen und Lösungen. Sie verfassten die “Mainzer Resolution” [5], die unter anderem die Vereinbarkeit von Amt, Familie und Beruf einforderte. Die meisten politischen Karrieren fangen als Ehrenamt auf kommunaler Ebene an. Und enden auch dort, wenn diese drei Lebensbereiche nicht zusammenpassen. Auf Landes- und Bundesebene sieht es dann nicht anders aus.

In Baden-Württemberg sind wir noch weit weg davon, Frauen in ihrem politischen Engagement zu unterstützen. Kann eine Stadträtin aufgrund von Schwangerschaft oder Kind nicht an einer Gemeinderatssitzung teilnehmen, entfällt ihre Stimme. Sie darf weder vertreten werden noch kann sie ihre Stimme digital abgeben.

Wir setzen uns dafür ein, dass die Gemeindeordnung unseres Landes diese große Hürde für Frauen abbaut. So haben wir zum Beispiel gemeinsam mit der CDU, der FrAKTION und der SPD beantragt, die Stadtverwaltung möge sich beim Land für eine Änderung der Gemeindeordnung in diesem Sinne einsetzen [6].

Damit die Gleichstellung der Frau nicht nur etwas ist, was man am 8. März alljährlich ins Bewusstsein ruft, muss an vielen Stellschrauben unseres Systems gearbeitet werden. Dazu braucht es politischen Willen jenseits von Lippenbekenntnissen. Es braucht Politiker:innen, die diesen Willen in die Parlamente tragen. Und es braucht dort mehr Frauen, damit unsere repräsentative Demokratie die Bürger:innen auch angemessen repräsentieren kann.

[1] Frauenanteil im Deutschen Bundestag, Wikipedia (Stand 8.3.2021)

https://de.wikipedia.org/.../Frauenanteil_im_Deutschen...

[2] Viertes Genderranking deutscher Großstädte 2017

https://www.boell.de/.../demokratiereform-03...

[3] Frauenanteil in Gemeinderäten und Kreistagen gestiegen

https://www.statistik-bw.de/.../Pressemitteilungen/2019138

[4] Erster Deutscher Frauenkongress kommunal

https://www.dstgb.de/.../Erster%20Deutscher.../

[5] Mainzer Resolution

https://www.gstb-rlp.de/.../Frauenkongress_Mainzer...

[6] Junge Stadträt*innen für junge Stadträt*innen: Wir bereiten den Weg für mehr junge Menschen in den Gemeinderäten

https://www.domino1.stuttgart.de/web/ksd/KSDRedSystem.nsf/