Zur Einbringung des Klimaaktionsplans von OB Fritz Kuhn
Am 27. September hat OB Fritz Kuhn im neu gegründeten Ausschuss für Klima und Umwelt sein Aktionsprogramm vorgestellt. Die Reaktionen auf das Aktionsprogramm waren durchwachsen. Unseren eigenen Beitrag zum vorgestellten Aktionsprogramm lieferte Stadträtin Deborah Köngeter.
"Konsens muss sein, dass der Klimaschutz in allen Bereichen politischen Handelns eine Selbstverständlichkeit ist. Dazu trägt das Aktionsprogramm bei. Dass das Aktionsprogramm bereits in der letzten Legislaturperiode ohne die sog. ökosoziale Mehrheit auf den Weg gebracht wurde, stimmt mich zuversichtlich, dass wir – jetzt erst recht! – in der nahen Zukunft, viele notwendige Dinge rasch zur Umsetzung bringen.
Ich stehe in diesem Zusammenhang für eine Abkehr von rein kostenorientierten, hin zu nachhaltigen Lösungen. Die Gesundheit aller Stuttgarterinnen und Stuttgarter, auch die künftiger Generationen, hat für meine Fraktion Vorrang. In unserer Vision von Stuttgart wird Stuttgart zügig eine klimaneutrale Stadt mit klimaangepassten Lösungen. Vom Bauen und von der Mobilität bis hin zur Wirtschaft.
Gehe ich durch die vorgeschlagenen Maßnahmen, fallen mir – beruflich bedingt – vor allem beim Bauen und bei der Klimaanpassung im Bereich der Stadtplanung noch zahlreiche weitergehende Maßnahmen ein, die den Klimaschutz unterstützen würden und über die ich anregen möchte, nachzudenken.
Lassen Sie uns doch beispielsweise erheben, welche Potenziale in Stuttgart für passive Energiekonzepte und Synergieeffekte stecken, um zuallererst einmal weniger Energie für die Gebäudeklimatisierung zu verbrauchen, und eine Stelle besetzen, die Bauherren – städtisch, privat oder gewerblich – kompetent bei der Umsetzung solcher Konzepte unterstützt und erforderliche Unterlagen unkompliziert bereitstellt. Eine Art erweiterte Energieberatung.
Lassen Sie uns – die IBA steht vor der Tür – zeigen was Stuttgart kann. Eine Stadt mit drei Hochschulen, die Architektur und/oder Stadtplanung lehren, und einer Architektendichte so hoch wie sonst nirgendwo im Land. Die Maßnahme A 3.5 schlägt einen Innovationsfond im Bereich Energie vor. Warum nicht auch einen fürs Bauen? Für Bauweisen, die zeigen wie klimaangepasstes Bauen aussehen kann ohne ausschließlich auf technische Lösungen zu setzen. Schließlich gibt es Gründe für autochthone Bauweisen, dafür, warum ein Iglu in Grönland anders aussieht als Gebäude in Spanien oder gar Afrika. Klimaanlagen – stellvertretend für technologische Lösungen – waren im Hinblick auf den Klimawandel noch nie Teil der Lösung, sondern sind Teil des Problems.
Lassen Sie uns darüber hinausgehen, dass wir Recyclingbaustoffe verwenden. Lassen Sie uns Gebäude realisieren, die rezyklierbar sind, deren Bauteile nicht wie bei Verbundwerkstoffen untrennbar verbunden sind, sondern die zerstörungsfrei rückgebaut und an anderer Stelle wieder eingesetzt werden können.
Und: Lassen Sie uns gemeinsam Ideen finden, wie nicht nur städtische Gebäude nach den uns selbst auferlegten Grundsätzen – den jetzt im Aktionsplan vorgesehen und möglicherweise darüber hinaus gehende – umgesetzt werden, sondern auch andere Bauherren – vom privaten bis zum Investor. Jede Neubaumaßnahme soll dazu beitragen, dass das Klimaziel erreicht wird.
Ein sollten wir aber dabei nicht vergessen: Jedes nicht gebaute Gebäude ist ein gutes. Daher sollten auch wir bei allen Vorteilen des nachhaltigen Bauens nicht vergessen, leerstehenden Wohnungsbestand zu reaktivieren. Auch das ist Klimaschutz.
Über die reinen Gebäude hinaus sollten wir immer das Thema Schwammstadt, wie es im vorgestellten Entwurf zum Rosensteinquartier bereits vorgeschlagen ist, im Hinterkopf behalten. Hannes Rockenbauch hat im STA angeregt, die guten Ideen, die im Entwurf stecken und frühestens in vielen Jahren umgesetzt werden, zu nehmen und in andere, kurzfristigere Projekte zu übertragen. Ein unterstützenswerter Vorschlag, egal, wie man zu seiner Ablehnung zum Rosensteinquartier steht, denn das städtische Grün und Flächen, die Wasser versickern und verdunsten, tragen maßgeblich zum Mikroklima der Stadt teil. Eine maximale Entsiegelung und Nutzung von Bodenbelägen, die einer Überhitzung entgegenwirken, sollten hier das Ziel sein. Nicht zuletzt sollten im Freiraum zunehmend Regenrückhaltebereiche für den Fall von Starkregenereignissen in die Gestaltung integriert werden.
Im Hinblick auf den Verkehr ist nicht unbekannt, dass meine Fraktion auf Alternativen zum Auto setzt. Darüber hinaus setzen wir uns für die Stärkung der einzelnen Stadtteile und deren Zentren ein, um eine Stadt der kurzen Wege mit guter Nahversorgung und lebendigen Begegnungsräumen zu ermöglichen. Die Stärkung der Stadtteile kann einen erheblichen Anteil an der Reduzierung der notwendigen Verkehrswege innerhalb der Stadt leisten – mit allen damit verbundenen Vorteilen.
Was mir im Bereich Verkehr komplett fehlt, ohne hierfür einen konkreten Vorschlag liefern zu können, ist die verstärkte Einbeziehung des Hafens als Teil des Stuttgarter Logistiknetzes.
Auch im Bereich der Maßnahmen zum Verhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher fehlt mir ein Punkt. Mehr bio, mehr regional, mehr saisonal sind hier die Schlagworte für mehr Klimaschutz in Bezug auf die Essensversorgung. Was mir fehlt: Mehr tierfreie Gerichte mit nur wenigen stark verarbeiteten Lebensmitteln.
Zuletzt möchte ich auf den Punkt Wirtschaft eingehen, der im Aktionsplan allenfalls zwischen den Zeilen Erwähnung findet.
Es liegt mir fern, die Stuttgarter Wirtschaft zerstören zu wollen, was ja in der sogenannten Autostadt Stuttgart gern jedem unterstellt wird, der sich für ein Weniger an Autos einsetzt. Ebenso fern liegt es mir aber, immer weiter auf unbeschränktes Wachstum zu setzen. Die Grenzen des Wachstums sind nicht nur erreicht, sie sind längst überschritten. Weil wir befürchten, dass möglicherweise Daimler-Mitarbeiter auf der Straße landen könnten – bei Mahle steht dies ja beispielsweise bereits bevor -, erlauben wir uns nicht, einen verantwortungsvollen Umgang mit Menschen und Rohstoffen, Qualität und den Verzicht auf Manipulation zu den Kriterien zu machen, die darüber entscheiden, ob wir ein Unternehmen unterstützenswert finden oder nicht. Sollten wir es ernst meinen mit dem Klimaschutz, lassen Sie uns nachhaltige Unternehmen unterstützen! Lassen Sie uns beispielsweise damit beginnen, bei den Getränken, die hier für uns bereitgestellt werden, auf Coca-Cola zu verzichten. Südkola aus Bietigheim-Bissingen oder – bio, dafür etwas weiter weg – die Brauerei Lammsbräu wären sicher stolz, die Landeshauptstadt mit ihren Coco-Cola-Alternativen zu versorgen.
Aber die Angestellten!, mögen mir hier nun einige sicher entgegnen. Ich sage Ihnen: Wir klagen, dass wir es nicht schaffen, unsere städtischen Stellen zu besetzen, Kita-Erzieher oder Pflegekräfte verlieren wir ans Umland, weil die Lebenshaltungskosten für diese Berufe in Stuttgart zu teuer sind, viele Stuttgarter würden sich gern in sinnstiftenden Arbeitsfeldern betätigen, tun dies aber nicht, weil letztendlich doch an erster Stelle steht, das eigene Leben finanzieren zu können. Schaffen wir gemeinsam die Voraussetzungen dafür, dass sich auch die Stuttgarter, die nicht zur Halbhöhenanwohnerschaft oder wenigstens zum Durchschnittsverdiener gehören, nachhaltige, weil hochwertige Produkte leisten können und leisten auf damit einen Beitrag zum Klimaschutz. Vielleicht lassen Sie sich zuletzt auf ein Gedankenspiel zu einem wie auch immer gearteten Modellversuch zum Grundeinkommen ein. Versuchen Sie sich vorzustellen, was passieren würde, was den Menschen am Herzen läge, wenn nicht die Bezahlung ihrer Rechnungen an oberster Stelle stünde. Ich bin sicher, viele würde dann nicht mehr sagen, eine erfolgreiche Wirtschaft ist wichtiger als unsere Gesundheit und rechtfertigt Lösungen, die einem erfolgreichen Aufhalten des Klimawandels entgegenstehen."