172/2022 | Städtebauliche Ziele und Vorgaben gelten – Auch für die Eberhardstraße 28 / Steinstraße 4
Interfraktioneller Antrag mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion, SPD-Gemeinderatsfraktion, Fraktionsgemeinschaft Die FrAKTION, FDP-Gemeinderatsfraktion.
Mit der GRDrs 268/2022 wurde der Gemeinderat über den Stand der Vergleichsverhandlungen mit der SIGNA-Gruppe bezüglich des beim Verwaltungsgericht Stuttgart anhängigen Rechtsstreits über die Ausübung des Vorkaufsrechts an den Grundstücken Eberhardstraße 28 / Steinstraße 4 in Stuttgart-Mitte informiert. Die Bauvorhaben liegen im Sanierungsgebiet Stuttgart 27. Doch das Ergebnis entspricht zu großen Teilen nicht den für das Sanierungsgebiet festgelegten städtebaulichen Zielen.
Im Sinne der Sanierungsziele und damit im Sinne der Stadt in Hinblick auf eine nachhaltige Stärkung und Entwicklung der City sowie einer Aufwertung des öffentlichen Raums ist eine Durchmischung unterschiedlicher Nutzungen, mit Büro- und Handelsflächen, mit Wohnen, mit kulturellen und sozialen Angeboten sowie Angeboten der
Freizeitgestaltung in der Innenstadt. Das gilt damit auch für die Bauprojekte Eberhardstraße 28/Steinstraße 4. Daher war die Sicherstellung der städtebaulichen Ziele auch die Grundlage für die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Stadt Stuttgart.
Eines der wichtigsten Sanierungsziele sind die Stabilisierung und Stärkung der Einzelhandelsfunktion und der gemischten Nutzung zur Vermeidung eines Funktionsverlusts des Gebiets. Insbesondere die angedachte Entwicklung der Eberhardstraße 28 als Verwaltungsgebäude der Deutschen Bundesbank mit nur in den Erdgeschossebenen
vorgesehenen Handelsflächen trägt weder zur Belebung des Quartiers, noch zu einer substantiellen Aufwertung des öffentlichen Raums oder zu einer ausreichenden Nahversorgung bei. Eine hauptsächliche Nutzung durch eine nach außen abgeschottete Institution steht damit nicht in Einklang mit den Sanierungszielen. Zudem soll der Investor aufgrund von Raumbedarfen und Sicherheitsinteressen des angedachten Mieters, der Deutschen Bundesbank, komplett von der in den Sanierungszielen festgelegten Schaffung bezahlbaren Wohnraums für untere und mittlere
Einkommensbezieher befreit werden. Neben der Missachtung der Sanierungsziele würde ein Verzicht auf Wohnungsbau aber auch die Beschlüsse zum Stuttgarter Innenentwicklungsmodell sowie zum Innenstadtkonzept unterlaufen. Denn da für beide Projekte ein neues Planrecht benötigt wird, ist laut SIM bei der Schaffung neuer Ge-
schossflächen in Mischgebieten ein Wohnanteil von mindestens 20% der neugeschaffenen Bruttogeschossfläche vertraglich zu sichern. Falls beide Grundstücke getrennt voneinander entwickelt werden sollten, lösen beide unabhängig voneinander einen Mindestwohnanteil von 20% aus. Die GRDrs 268/2022 und insbesondere Be-
schlussziffer 2.c) mit einem vollständigen, kompensationslosen Verzicht auf dieses städtebauliche Ziel sowie auf die Erfüllung der Vorgaben des SIM steht damit im Widerspruch zur geltenden Beschlusslage und würde einen Präzedenzfall schaffen, der eine zentrale Bestimmung des SIM aushebelt.
Auch das Sanierungsziel einer Aufwertung der urbanen Aufenthaltsqualität sowie einer Neuorganisation der Verkehrsflächen und Zufahrtswege ist in der Vorlage nicht ausreichend berücksichtigt. Dagegen soll die Baulast der LKW-Zufahrt komplett auf dem Grundstück Steinstraße 4 liegen, was die EG-Nutzung stark einschränken und zu einem sehr hohen Anteil von Verkehrsflächen innerhalb des Gebäudes führen würde. Die technischen Abhängigkeiten sind nicht gelöst und bauliche Abhängigkeiten zwischen beiden Grundstücken nicht beseitigt, wodurch beide Teilprojekte nicht unabhängig voneinander bebaubar und nutzbar sind. Dazu kommt, dass die vorgesehenen Stellplätze voraussichtlich nicht für eine Versammlungsstätte wie in der Steinstraße 4 angedacht ausreichen sowie gegenüberliegende schutzwürdige Immissionsorte zu stark eingeschränkten Betriebszeiten und fehlender Bespielmöglichkeiten im Außenbereich führen würden. Die angedachte Aufteilung der Grundstücke und die Verteilung der jeweiligen Nutzungen entsprechen damit nicht der Umsetzung der städtebaulichen Ziele und der Sicherung städtischer Interessen in diesem Bereich.
Daher beantragen wir:
1. Die Landeshauptstadt Stuttgart hält weiterhin an ihren städtebaulichen Zielen für das Gebiet sowie an den Beschlüssen des Stuttgarter Innenentwicklungsmodells fest. Diese gelten auch für die Objekte Eberhardstraße 28 / Steinstraße 4.
2. Über die in der GRDrs 268/2022 genannte Alternative wird daher nicht weiterverhandelt. Das vorgestellte Ergebnis der Vergleichsverhandlungen entspricht weder den städtebaulichen Zielen noch den Vorgaben des SIM und ist daher nicht zur Beilegung des beim Verwaltungsgericht Stuttgart anhängigen Rechtsstreits bezüglich des städtischen Vorkaufsrechts geeignet. Die Verwaltung übermittelt daher der Signa Real Estate Management GmbH/Stuttgart, Eberhardstraße 28 Immobilien GmbH & Co. KG, dass es auf Grundlage der Inhalte der Vorlage zu keinem Vergleich kommen kann, der das Verfahren zur Ausübung des Vorkaufsrechts beenden könnte.
3. Die Stadt ermittelt umgehend die städtischen Bedarfe, insbesondere auch im kulturellen und sozialen Bereich sowie der Freizeitgestaltung (insbesondere das Haus der Kulturen und weitere wie ein Haus der Jugend oder ein Regenbogenhaus) und stellt dar, welche dieser Nutzungen sowohl mit den grundlegenden städtebaulichen Zielen wie einer Stärkung des Einzelhandels, mit innenstadtkompatiblem Wohnen (auch innovativen Wohnformen) und einer Aufwertung und Belebung des öffentlichen Raums als auch mit den im Gebiet vorhandenen schutzwürdigen Immissionsorten und baurechtlichen Vorgaben vereinbar sind und auf den Grundstücken Steinstraße 4 und vor allem auch der Eberhardstraße 28 sinnvoll verortet und bedarfsgerecht abgedeckt werden könnten.
4. Die anwaltliche Stellungnahme vom 03.08.2020 der Rechtsanwaltskanzlei Menold Bezler zu der Widerspruchsbegründung der Käuferin (Eberhardstraße 28 Immobilien GmbH&Co.KG) bezüglich der Vorkaufsrechtsausübung durch die Stadt wird im kommenden Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen vorgestellt. Die
Verwaltung wird zudem beauftragt eine aktualisierte Stellungnahme bezüglich der Aussichten bei einer Wiederaufnahme des Rechtsstreits, auch in Hinblick auf die jetzigen Planungen der Signa Real Estate Management GmbH/Stuttgart, Eberhardstraße 28 Immobilien GmbH & Co. KG, einzuholen und vorzustellen.