411/2020 | Transformation des Einzelhandels in eine existenzsichernde digitalisierte Zukunft – Was plant die Wirtschaftsförderung?
Interfraktioneller Antrag mit Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Freie Wähler, SPD.
Hintergrund der Anfrage:
In der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Wohnen vom 26.06.2020 wurde von der Wirtschaftsförderung dargestellt, welche tiefgreifenden negativen Folgen die Corona-Krise auf die heimische Wirtschaft hat.
In ihrer Präsentation stellte die Verwaltung neben den Beratungsinstrumenten für Gewerbetreibende auch diverse Online-Instrumente vor, die dem Einzelhandel und auch der Gastronomie in der schweren Zeit des Lockdowns die Möglichkeit boten, sich trotz verordneter Schließungen zumindest im Netz zu präsentieren.
Wir begrüßen diese Online-Instrumente. Jedoch können diese nur ein erster Schritt sein, den Stuttgarter Einzelhandel in eine existenzsichernde, digitalisierte Zukunft zu führen.
Die präsentierten Online-Instrumente „stuttgartsindwir.de“ und „gutscheine-fuer-stuttgart.de“ boten den teilnehmenden Händlern zwar die Möglichkeit ihre Geschäfte zu präsentieren oder Gutscheine zu verkaufen – eine Plattform, die sich auch für den Verkauf von Waren eignet, konnte in der Kürze der Zeit jedoch nicht aufgebaut werden.
Andere Online-Initiativen wie z.B. einzelheld.de und "#stayopen" boten Einzelhändlern zusätzlich die Möglichkeit, schnell, unkompliziert und kostenfrei einen Online-Shop aufzubauen. Mit solchen Anbietern kooperierte die Wirtschaftsförderung jedoch nicht.
Im Ergebnis blieb die Frequenz auf allen genannten Online-Angeboten eher gering, da es zum einen zu einer großen Fragmentierung auf dem Markt und somit nicht zu einer Bündelung der Kräfte auf einer gemeinsamen Plattform kam und zum anderen die Skepsis vieler Einzelhändler gegenüber derartiger Online-Instrumente aufgrund vermeintlicher Einstiegshürden nach wie vor groß ist.
Während des Lockdowns haben viele Menschen, auch viele ältere, ihr Einkaufsverhalten gezwungenermaßen geändert und noch stärker als vor der Corona-Krise auf das Online-Shoppen verlagert. Dieser Trend hielt auch nach dem Lockdown an und ist zum Beispiel an den schwindelerregenden Zuwachsraten der Online-Plattform Amazon deutlich zu erkennen.
Der lokale Einzelhandel ist nicht nur ein wesentlicher Leistungsträger für Gewerbesteuereinnahmen der Stadt – er hat auch eine immense Bedeutung für ein positives Erscheinungsbild und die Lebendigkeit Stuttgarts. Besonders der Einzelhandel in den Außenbezirken ist ein wichtiger Garant für die Nahversorgung und bietet die Infrastruktur für ein umweltbewusstes und nachhaltiges Einkaufen vor Ort.
Wir riskieren, diese Infrastruktur zu verlieren, wenn wir den Stuttgarter Einzelhandel sich selbst überlassen und nicht kommunalpolitisch für geeignete Rahmenbedingungen sorgen, die die Transformation in das digitale Zeitalter unterstützen. Hierbei ist die Wirtschaftsförderung gefragt als initiierendes, koordinierendes und moderierendes Bindeglied zwischen Einzelhändlern, Gewerbe- und Handelsvereinen sowie Plattformbetreibern. Erfolgreiche Kooperationen zwischen diesen Playern können in anderen Kommunen bereits beobachtet werden, wie zum Beispiel in Tübingen (tueshop.de und tuemarkt.de).
Wir beantragen:
1. Die Wirtschaftsförderung stellt in der nächsten Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Wohnen am 09.10.2020 ihr Vorgehen zur Entwicklung einer mittel- bis langfristigen Zukunftsstrategie für den Stuttgarter Einzelhandel dar.
2. Die Präsentation vom 26.06.2020 enthält unter „Lessons Learned“ folgenden Satz: „Erforderlich ist vielmehr eine fundierte und schnelle Analyse möglicher Wege, die die Zusammenhänge und Abhängigkeiten zwischen den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Systemen umfassend berücksichtigen.“ Die Wirtschaftsförderung stellt dar, zu welchen Ergebnissen sie in genannter schnellen Analyse insbesondere bezüglich des Einzelhandels gekommen ist.
3. Die Wirtschaftsförderung stellt mit entsprechender Begründung dar, ob und wie sie den Aufbau von lokalen Online-Marktplätzen unterstützen wird.