288/2020 | Taten statt leere Worte! Beschluss „Stuttgart – sicherer Hafen“ umsetzen und schutzbedürftige Minderjährige von der Insel Lesbos holen
Interfraktioneller Antrag mit SPD, Die FrAKTION.
Hintergrund der Anfrage:
Stuttgart hat sich in einem interfraktionellen Antrag bereit erklärt, aus Seenot gerettete Menschen, beispielsweise von einem zivilen Seenotrettungsboot, ähnlich eines Relocation-Programms, direkt aufzunehmen und unterzubringen. Diese Aufnahme soll zusätzlich zur Verteilungsquote Asylsuchender geschehen. Dazu bedarf es des Einvernehmens mit dem Bundesministerium für Inneres und Sport, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und dem Bundesland Baden-Württemberg. Trotz dieses Beschlusses wurden bisher noch keine minderjährigen Geflüchteten aus Lesbos nach Stuttgart geholt, obwohl sich alle – auch der Bundesminister des Innern, einig in der Beurteilung der Lage sind. Nämlich, dass auf der griechischen Insel Lesbos wie auch auf weiteren Inseln in der Ägäis Geflüchtete in Zuständen leben müssen, die humanitär katastrophal sind. Angesichts der Bedrohung durch die Corona-Pandemie ist die Lage noch bedrohlicher und katastrophaler geworden.
Das Land Berlin hat einen Entwurf für eine sogenannte Landesaufnahmeanordnung eingebracht. In der Stuttgarter Zeitung vom 17. Juni 2020 wurde berichtet, dass das Land Berlin "im Rahmen eines eigenen Landesprogramms 300 Menschen aus griechischen Flüchtlingslagern in der Ägäis" aufnehmen wird. Nachdem sich Stuttgart zum „sicheren Hafen“ erklärt hat, ist es Zeit, dass auch Stuttgart gemeinsam mit dem Land Baden-Württemberg gezielt Schritt zu einer solchen Verordnung aufnimmt.
Dazu ist es erforderlich, dass Oberbürgermeister Kuhn und der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann, die als Parteikollegen eigentlich über einen "kurzen Draht" zueinander verfügen, einen Entwurf für eine Landesaufnahmeanordnung erarbeiten und diese mit dem Bund abstimmen. Analog wie es z.B. für die Gruppe der Jesidinnen in den Jahren 2015 und 2016 erfolgte, könnte damit die rechtliche Basis zur Aufnahme von Geflüchteten zusätzlich zur Verteilungsquote über den Königsteiner Schlüssel für Schutzsuchende herbeigeführt werden.
Das Bundesinnenministerium hat mit einem Brief vom 2. Juni 2020 auf das Angebot der Stadt Stuttgart reagiert, doch die Antworten dieses Briefs sind für uns unbefriedigend, da keine konkreten Schritte zur Hilfe für Geflüchtete auf der Insel Lesbos daraus hervorgehen. In dem Schreiben wird zwar bestätigt, dass es weiterhin „ein vordringliches Ziel bleibt, die Situation der Migranten auf den griechischen Inseln zu verbessern.“ Doch es schließen sich Ausführungen an, was Deutschland im Vergleich zu vielen anderen EU-Mitgliedsstaaten bereits an finanziellen und organisatorischen Hilfen geleistet hat. Diese Leistungen würdigen und begrüßen wir. Stuttgart möchte zeitnah und konkret dazu beitragen, schutzbedürftige Minderjährige, aus den erbarmungswürdigen Zuständen herauszuholen, und will nicht in den Verdacht geraten, dass der Beschluss "Stuttgart - ein sicherer Hafen" vorrangig unter publicity-Gesichtspunkten verabschiedet worden sei.
Wir fragen:
1. Welche Aktivitäten plant der Oberbürgermeister und die Verwaltung zur Umsetzung des Beschlusses "Stuttgart - Sicherer Hafen", nach der Antwort von Bundesinnenminister Seehofer vom 2. Juni 2020?
2. Warum erhielten die Fraktionen den Antwortbrief vom 2.6.2020 des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat erst am 2.7.2020, also erst einen Monat später?
Wir beantragen:
1. Die Stadt Stuttgart nimmt Kontakt zum Land Baden-Württemberg auf, mit dem Ziel gemäß § 23 des Aufenthaltsgesetzes die rechtliche Basis für eine Landesaufnahmeanordnung zu schaffen, um minderjährige Schutzbedürftige in einem Sonderkontingent nach Stuttgart zu holen.
2. Die Verwaltung berichtet nach der Sommerpause am 28. September im Sozial- und Gesundheitsausschuss über den Stand der Aufnahme von minderjährigen Geflüchteten und den Verhandlungen mit dem Land Baden-Württemberg zu einer Landesaufnahmeanordnung.