80/2024 | Tempo 30 nachts als Maßnahme im neuen Lärmaktionsplan verankern
Wir beantragen:
Wir beantragen folgenden Antrag bis Ende April im Ausschuss für Klima und Umwelt zur Beschlussfassung aufzurufen:
1. Der Gemeinderat klassifiziert die flächige und gesundheitsgefährdende Straßenverkehrslärmkulisse in Stuttgart im Rahmen des eigenen Beurteilungsspielraums als Gefahrenlage und beauftragt die Verwaltung mit der Festsetzung einer eigenständigen Maßnahme im neuen Lärmaktionsplan zur verpflichtenden flächendeckenden Anordnung von Tempo 30 an lärmbelasteten Abschnitten des Vorrangstraßennetzes in den Nachtstunden.
2. Die Verwaltung benennt hierzu auf Basis der Lärmkartierung 2022 alle Straßen, auf denen nachts Tempo 30 anzuordnen ist, und bringt diese Maßnahme in die öffentliche Anhörung zur Fortschreibung des Lärmaktionsplans ein.
Begründung:
Im Rahmen einer planerischen Abwägungsentscheidung und auf Basis des Rechts aus kommunale Selbstverwaltung im verfassungsrechtlich geschützten Bereich der kommunalen Planungshoheit sind Kommunen ermächtigt, großflächige Tempo 30-Anordnungen im Wege der Lärmaktionsplanung umzusetzen. Der Lärmaktionsplan wird damit zum strategischen Instrument, um auf Basis europarechtlicher Normen wirksamen Lärmschutz herbeizuführen.
Der europäische Gesetzgeber hat es den Kommunen ermöglicht, durch ihre Lärmaktionsplanung den Gefahrenbegriff des § 45 StVO für ihre örtlichen Verhältnisse auszugestalten. Nach dem Urteil des VGH Mannheim vom 17. Juli 2018 wird den Kommunen ein Beurteilungsspielraum bei der Ausfüllung des Gefahrenbegriffs gemäß § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO zugebilligt. Kommunen sind auf dieser Grundlage nicht an ermessenslenkende Vorschriften der Fachbehörden gebunden, sondern autonom in ihrer Entscheidung als Plangeber. Die Straßenverkehrsbehörde ist jedoch umgekehrt an die kommunale Lärmaktionsplanung gebunden und hat entsprechende verpflichtende Maßnahmen anzuordnen.
Ausweislich der Lärmkartierung 2022 hat sich die Zahl der von krankmachendem Straßenverkehrslärm Betroffenen deutlich erhöht. 76.000 Menschen, also 12,5 % der Stuttgarter Bevölkerung, sind von Immissionen >55 dB(A) in den Nachtstunden betroffen. Bislang sind über den Lärmaktionsplan kaum Fortschritte beim Lärmschutz erzielt worden. Mit der kommenden Fortschreibung des Plans wollen wir als Gemeinderat nun endlich wirksam dem Lärmteppich begegnen, notfalls auch mit der Konsequenz eines Rechtsstreits um die Auslegung der Normen.