171/2023 | Fachkräfte entlasten und Bürokratie abbauen: Elektronische Gesundheitskarte für Asylbewerber*innen

Wir beantragen:

1. Die Verwaltung beantwortet im Sozial- und Gesundheitsausschuss am 24.07.2023 in Form einer schriftlichen Stellungnahme folgende Fragen:

a. Wie viele Stellen sind derzeit im Sozialamt und im Gesundheitsamt mit der Ausgabe von Behandlungsscheinen und der Bearbeitung der Krankenhilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beauftragt? Wie viele dieser Stellen sind aktuell unbesetzt?

b. Sind bei der Mitarbeiterschaft, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bearbeitet, in den vergangenen drei Jahren Überstunden angefallen? Falls ja, in welchem Umfang?

c. Wie viele Stellenwechsel gab es bei der Mitarbeiterschaft, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bearbeitet, in den vergangenen drei Jahren?

d. Wie organisiert die Verwaltung aktuell die Ausgabe von Behandlungsscheinen an die Asylbewerber*innen?

e. Wie organisiert die Verwaltung aktuell die Bearbeitung von Krankenhilfeanträgen von Asylbewerber*innen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz? In welchem Umfang fallen Rückstände bei der Bearbeitung der Anträge an?

2. Die Stadt Stuttgart nimmt eigenständige Verhandlungen mit den Krankenkassen zur Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte für Asylbewerber*innen auf und bindet hierzu alle willigen Partnerstadtkreise und Partnerlandkreise der kommunalen Familie in Baden-Württemberg mit ein.

3. Die Stadt Stuttgart wirbt in weiteren Gesprächen mit dem Land Baden-Württemberg für die landesweite Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte für Asylbewerber*innen zur Fachkräfteentlastung der kommunalen Behörden.

Begründung:

In Zeiten des Fachkräftemangels ist es wichtiger denn je, Bürokratie abzubauen, um unterbesetztes Personal bei der Stadtverwaltung zu entlasten und Bürger*innen eine effektive Bearbeitung von Anliegen bereitzustellen. Die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) für Asylbewerber*innen ist hierfür ein wichtiges Element:

- Freiwerdendes qualifiziertes Verwaltungspersonal kann in anderen Ämtern der Stadtverwaltung eingesetzt werden, um dort unterbesetztes Personal zu entlasten.

- Asylbewerber*innen erhalten mit der eGK ein verständliches Instrument, mit der sie in gesundheitlichen Stresssituationen nicht überfordert sind.

- Krankenkassen, die bereits über einen großen Erfahrungsschatz im Gesundheitsservice für Arztpraxen, Kliniken und Patient*innen verfügen und diesen prozessoptimiert anbieten, werden mit der Aufgabe der Krankenhilfe beauftragt. Die Kommunikation zwischen Patient*innen, Behörde, Arztpraxen und Kliniken wird dadurch erleichtert. Digitale Brüche wie die Verwendung von Behandlungsscheinen in Papierform werden abgeschafft. Arztpraxen und Kliniken werden somit in doppelter Hinsicht entlastet.

- Weitere Fachkräfte wie Sozialarbeiter*innen, die von Asylbewerber*innen und Fachämtern in den Erklärprozess des komplexen Behandlungsschein- und Krankenhilfeverfahren einbezogen werden, werden zeitlich entlastet und können sich ihren eigentlichen Aufgaben der Sozialarbeit widmen.

- Wir erhoffen uns zudem durch die eGK eine wesentlich schnellere ärztliche Behandlung und Diagnose, die schwere Erkrankungen bzw. Folgeerkrankungen für Patient*innen und somit auch höhere Kosten für den Staat und die Steuerzahler*innen möglichst verhindern kann.

Für die Umsetzung der eGK wird eine Rahmenvereinbarung zwischen dem Land Baden-Württemberg oder einzelner Stadt- und Landkreise mit den Krankenkassen benötigt. Die AOK Baden-Württemberg legte bereits im Jahr 2015 einen Entwurf für eine entsprechende Rahmenvereinbarung vor. Leider zeigt die Landesregierung Baden-Württemberg seither kein Interesse an der Einführung einer eGK für Asylbewerber*innen und lässt die kommunale Familie im Stich, ohne hierfür überzeugende rationale Gründe darzulegen. Sechs Bundesländer haben die eGK bereits eingeführt und laut einer Studie des Universitätsklinikum Heidelberg liegen u. a. folgende gesicherte Erkenntnisse vor:

- "Die Einführung der eGK für Asylsuchende erleichtert administrative Prozesse und führt nicht zu Kostensteigerungen.

- Durch die eGK werden Hürden bei der Inanspruchnahme für Asylsuchende abgebaut und Abrechnungsprozesse für Leistungserbringer erleichtert" (Universitätsklinikum Heidelberg 2021).

"So konnten beispielsweise in der Hamburger Sozialbehörde Kosten in Höhe von rund 1,6 Mio Euro pro Jahr eingespart werden" (Burmester 2015).

Gerade wegen dem Nichthandeln der Landesregierung muss die Stadt Stuttgart in dieser Sache nun dringend selbst aktiv werden, als Landeshauptstadt eine Vorreiterstellung einnehmen und willige, ebenso vom Fachkräftemangel betroffene Stadt- und Landkreise in die Verhandlungen mit den Krankenkassen einbeziehen, um das eigene Personal, Ärzte, Kliniken und die Steuerzahler*innen zu entlasten und eine moderne Gesundheitsleistung anzubieten.

Quellen:

[Universitätsklinikum Heidelberg 2021]: Gold AW, Weis J, Janho L, Biddle L, Bozorgmehr K. (2021) Die elektronische Gesundheitskarte für Asylsuchende. Zusammenfassung der wissenschaftlichen Evidenz. Health Equity Studies & Migration – Report Series, 2021-02. DOI: https://doi.org/10.11588/heidok.00030347

[Burmester 2015]: Burmester F (2015) Medizinische Versorgung der Leistungsberechtigten nach §§ 4 und 6 AsylbLG über eine Krankenkasse. Public Health Forum 23:106–108. https://doi.org/10.1515/pubhef-2015-0039

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