154/2023 | Erneuerbare Wärme ins Quartier: Umnutzung des Gaskessels zum Großwärmespeicher prüfen

Wir beantragen:

Die Verwaltung wird beauftragt das Umnutzungspotenzial des Gaswerks in Stuttgart-Gaisburg zu einem thermischen Großspeicher zu prüfen und hierzu im Ausschuss für Klima und Umwelt zu berichten. Die Untersuchung soll folgende Sachverhalte beinhalten:

1. die technische Prüfung der bestehenden Tragkonstruktion und des Fundaments des Gaskessels im Hinblick auf dessen Eignung für die Umnutzung zum Wärmespeicher,

2. die technische Machbarkeit zur Errichtung eines Wärmespeichers innerhalb der selbsttragenden Gesamtkonstruktion unter Mitwirkung der Forschungsexpertise zu thermischen Energiespeichern an der Universität Stuttgart,

3. die Prüfung eines quartiersbezogenen Wärmenetzes auf Basis der Wärmeleitplanung für die umliegenden Stadtteile in Stuttgart-Ost i.V.m. möglichen Flusswärmepumpen am Neckar in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Stuttgart GmbH,

4. die Prüfung der Statik zur Anbringung leichter Solarpaneele bzw. Folienmodule an der Außenhülle des Gaskessels auf Basis der Vorüberlegungen des Vereins Stuttgart Solar e.V.

Begründung:

Die EnBW hat im Jahr 2021 den Gaskessel in Stuttgart-Ost als Speicher außer Betrieb genommen. Seither ist das immense Fassungsvermögen des ortsbildprägenden Industriedenkmals ungenutzt. Die Zukunft des Areals ist nach aktuellem Stand völlig offen.

Im Hinblick auf die städtebauliche Perspektive im gesamten Geländeband zwischen Wasser- und Gaswerk sollten daher Umnutzungsperspektiven für bestehende Infrastrukturen frühzeitig fachplanerisch untersucht werden. Aus Sicht der Fraktionsgemeinschaft PULS könnte das informelle Wahrzeichen des Stuttgarter Ostens als thermischer Energiespeicher eine neue Funktion erhalten und Ausgangspunkt für die Wärmewende in den umliegenden Bestandsquartieren sein.

Bund und Land Baden-Württemberg flankieren mit Förderprogrammen für energieeffiziente Wärmenetze und Speicher den Ausbau urbaner Energiesysteme. Die Stadt Stuttgart fördert mit einer neuen Richtlinie künftig die Hausanschlüsse an klimaneutrale Wärmenetze. Der Speicherung von Energie, z.B. im Wege von Power-to-heat, kommt eine zentrale Bedeutung zu, um Spannungsspitzen zu verhindern und fluktuierende regenerative Energien im Wege der Sektorkopplung aufzunehmen. Großspeicher können über Wärmenetze eine effiziente Versorgung in verdichteten Bestandsquartieren bereitstellen.

Der stillgelegte Gaskessel in Stuttgart-Ost mit einem Durchmesser von 69 Metern und einem Fassungsvermögen von 300.000 Kubikmetern kann als großskaliger Energiespeicher eine Chance für die Wärmeversorgung der Zukunft eröffnen. Hierbei könnte beispielsweise die Flusswärme des Neckars über eine oder mehrere Großwärmepumpen nutzbar gemacht werden, wie es die MVV in Mannheim mit einem 1.500 MWh Wärmespeicher am Rheinufer gegenwärtig realisiert. Im Zuge der Umrüstung des Heizkraftwerks Stuttgart-Gaisburg zu einer gasbefeuerten Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage wurde bereits ein Wärmespeicher installiert.[i] Der denkmalgeschützte Gaskessel liegt nur etwa einen Kilometer davon entfernt.

Andere deutsche Großstädte lassen aus ausgedienten Bauwerken bereits zukunftsfähige Leuchtturmprojekte mit klimafreundlichen Technologien entstehen: Aktuell erarbeitet die Berliner Erdgasspeicher GmbH (BES) ein Nachnutzungskonzept für den Erdgasspeicher in Grunewald unter Berücksichtigung eines zukunftsorientierten Energiesystems.[ii] Ein ehemaliger Bunker in Hamburg-Wilhelmsburg dient heute als Wärmespeicher und produziert selbst erneuerbaren Strom und Wärme und deckt in seiner Gesamtleistung den Verbrauch von mehr als 3.000 Haushalten ab. Auf dem Dach und der Fassade sind Solarmodule angebracht.[iii]

Zu prüfen wäre daher auch die Anbringung von Solarpaneelen an der Fassade und auf dem Dach des Bauwerks. Der Verein Stuttgart Solar e.V. ließ errechnen, dass an der Außenhaut des Gaskessels ein Jahresertrag von 1.781 MWh generiert und damit 712 Stuttgarter Haushalte versorgt werden könnten.

[i] https://www.enbw.com/unternehmen/konzern/energieerzeugung/neubau-und-projekte/heizkr aftwerk-stuttgart-gaisburg/

[ii] Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe (05.09.2022): Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 19/12975 vom 19.08.2022 über Berliner Erdgasspeicher – gegenwärtiger Stand und künftige Nutzung

[iii] https://www.hamburgenergie.de/ueber-uns/energieerzeugung/energiebunker/