311/2022 | Klimaresilienz: Umnutzung des Bunkerhotels zum Wasserspeicher

Wir beantragen:

Die Fachverwaltung prüft im Wege einer Machbarkeitsstudie die Umnutzung des Luftschutzbunkers unter dem Marktplatz zu einem zentralen Niederschlagswasserspeicher a) mit zusätzlicher Funktion als Rückhaltebecken für das innerstädtische Kanalnetz bei urbanen Sturzfluten.

b) als Energiespeichermedium zur Klimatisierung/Wärmeversorgung umliegender Gebäude.

Begründung:

Stuttgart muss präventiv mit klimawandelbedingten Multirisiken umgehen. Aufgrund der topografischen Kessellage, der Lage in einem Grundwassermangelgebiet und der infrastrukturellen Überformung des Neckars ist unsere Stadt gefährdet. Hitzewellen und langanhaltende Dürre sind bekannte Phänomene die in ihrer Intensität zunehmen. Die City, als natürliche Geländesenke, ist besonders von extremem Starkregen mit technisch kaum beherrschbaren Folgen für Mensch und Infrastruktur konfrontiert. Die urbane Sturzflut im Juni 2021 hat aufgezeigt, welche schwerwiegenden Risiken der Innenstadt drohen. Insbesondere die Schillerstraße wirkt hier als bauliche Barriere in der Tallängsachse, und behindert bei Sturzfluten die Ableitung der Wassermassen in den Schlossgarten und Richtung Neckar. Die Abgänge zur Klett-Passage wurden in Folge der extremen Punktniederschläge zu Sturzbächen.

Ein kommunales Starkregen- und Hochwassermanagement ist ebenso gefragt wie eine Wassermangelstrategie in den heißen Sommern, da die Stadt von der Bodensee- und Landeswasserversorgung abhängig ist und bei wachsendem Bedarf alternative Wasserressourcen nutzen muss. Hier bietet sich vor allem die Nutzung von Grau- und Niederschlagswasser an, um die Grünanlagen, Wasserspiele, Brunnen und Bachläufe zu bespeisen, und so den thermischen Stress während der Trockenphasen zu vermindern.

Aufgrund der zentralen Lage und einer bis heute fehlenden Umnutzungsperspektive bietet sich der unter dem Marktplatz gelegene Weltkriegsbunker als zentraler Wasserspeicher an. Das vollständig aus Beton errichtete Bauwerk wurde im Juni 1941 fertiggestellt und bot bei Luftangriffen bis zu 3.000 Menschen Schutz. 12.000 cbm Erdreich wurden hierfür ausgehoben. Der fertige Bunker misst ohne Zugänge 50,60 m auf 37,60 m, bei einer Raumhöhe von 2,65 m. Die Außenwände sind 1,8 m dick, die Decke 2,0 m.

Nach Kriegsende wurde der Luftschutzbunker entgegen des „Entfestigungsbeschlusses” der Alliierten, der eine rückstandslose Beseitigung zum Ziel hatte, als Unterkunft bzw. Herberge für Ausgebombte umfunktioniert. Das Hotel Ketterer „Bunker unter dem Marktplatz” war von 1945 bis zum 31.10.1985 in Betrieb. Eine erneute Umnutzung oder Modernisierung scheiterte am Ausbleiben von Bundesmitteln im Jahr 1990. Zuletzt wurden 1997 die Glaseinhausungen an den Abgängen auf dem Marktplatz entfernt, und damit die letzten sichtbaren Zeugnisse des Bunkerhotels. Seither ist das stark durch Schimmel, Pilze und Bakterienkulturen kontaminierte Bauwerk nur noch in der Langen Nacht der Museen zugänglich.

Nachnutzungsideen des Auktionators Eppli aus 1992 als Einkaufspassage, als „Haus des Buches” (1997) oder Museum wurden nicht weiterverfolgt. Der 2005 ausgelobte Wettbewerb zur Oberflächen- und Lichtgestaltung des Marktplatzes klammerte die Umnutzungsperspektive für das Bunkerbauwerk aus. Die einzige bis heute bestehende Nutzung erfolgt durch die Weihnachtsmarktbeschicker, die den Bunker partiell als Lagerfläche nutzen. Klar ist, dass das massive Beton-Bauwerk mit der darin gespeicherten grauen Energie irreversibel ist und aufgrund vielfältige Bestimmungen zu Brandschutz, Entfluchtung und anderer gesetzlicher Normen kaum eine Perspektive für eine öffentliche Nutzung hat - zumindest nicht ohne Preisgabe des Marktplatzes als multifunktional bespielbare Platzfläche.

Jedoch könnte der Luftschutzbunker eine ganz wesentliche Funktion im Sinne der Klimaanpassung und der Multigefahrenprävention erhalten. Bei einer Umnutzung wäre rechnerisch ein Speichervolumen von bis zu 5.000.000 Litern an Niederschlagswasser denkbar. Der Speicher könnte für die Vitalität innerstädtischer Park- und Grünanlagen genutzt werden, Wasserspiele versorgen, den künftigen Bachlauf des Nesenbachs in Phasen geringer Schüttung bespeisen, und aufgrund seiner Lage in der Senke der Starkregenprävention dienen. Zudem könnte das sehr große und träge Volumen womöglich multifunktional als Energiespeichermedium nutzbar gemacht werden, um Gebäude am Marktplatz zu klimatisieren. Im Sinne einer urbanen Umnutzungskultur wollen wir diese Optionen daher im Wege einer Machbarkeitsstudie prüfen lassen.